Zoom-Diskussionsrunde - November 2020
Zusammenfassung des Online-Events am 04. November
Die Veranstaltung wurde mit regem Interesse angenommen und war gut besucht. Es freut uns sehr, dass wir sogar Teilnehmer aus Ecuador und den Galápagos Inseln erreichen konnten. Als Referenten waren geladen:
María José Baragán: Wissenschaftliche Direktorin der Charles Darwin Forschungsstation (CDF)
Heinke Jäger: Biologin und Leiterin der Forschungsgruppe Invasive Arten der CDF
Birgit Fessel: Biologin und Leiterin der Forschungsgruppe Landvögel der CDF
Santiago Bejarano: ehemaliger Guide für den Galápagos Nationalpark, Reisebüro-Mitinhaber
Alle Referenten hatten zu Beginn der Veranstaltung die Gelegenheit sich vorzustellen, Ihren Bezug zu den Galápagos Inseln und wie sie die Pandemie erlebt haben zu erzählen.
María José bestätigte uns, dass die Arbeit CDF während der ganzen Pandemie-Zeit fortgesetzt wurde. Die Mitarbeiter der Verwaltung und die meisten wissenschaftlichen Mitarbeiter arbeite-ten von daheim aus und so konnte die Pandemie genutzt werden, neue Projektideen und -strategien zu entwickeln, wissenschaftliche Berichte zu schreiben oder Forschungsergebnisse auszuwerten. Nur die direkte Feldarbeit war untersagt und kam von Mai bis Juli komplett zum Stillstand.
Heinke lebt auf den Galápagos Inseln und arbeitet eng mit der Galápagos Nationalparkbehörde zusammen. Dies ist wichtig, denn nur so kann überprüft werden ob und inwieweit die beste-henden Schutzmassnahmen und -projekte zum Schutz vor invasiven Arten sinnvoll greifen, zu den gewünschten Ergebnissen führen oder ob die Massnahmen korrigiert werden müssen. Da eine offizielle Feldarbeit untersagt war, hat ihr Team begonnen mit 40 Farmen zusammen zu arbeiten. Es wurde geschaut welche Pflanzen und Tierarten auf den landwirtschaftlichen Flächen vorkommen und welche Anbaumöglichkeiten es dort gibt. Die Landwirtschaft hat auf den Galápagos Inseln in der Zeit des Shutdowns erheblich an Bedeutung gewonnen, da in dieser Zeit keine Nahrungsmittel vom Festland importiert werden konnten und die Bewohner der Galápagos darauf angewiesen waren Obst und Gemüse selber anzubauen.
Birgit erzählte uns, dass sie zu Beginn der Pandemie bereits wieder zurück in Wien war, da sie bereits im Februar die Zählung der Landvögel auf den Inseln beenden konnten. Lediglich die Insel Fernandina wurde nicht besucht, da es hier einen Vulkanausbruch gab. Die Vogelzählungen sind wichtig, da man zwar viel Detailwissen über die einzelnen Tiere hat, es jedoch keine ver-lässlichen Informationen gibt, wo wie viele Vögel leben. Dies ist aber die Basis für sinnvolle Schutzmassnahmen. Insbesondere die Populationen der Mangrovenfinken und der Rubintyran-nen sind dramatisch eingebrochen und es gibt nur noch wenige Brutpaare. Der Grund hierfür sind Ratten und die eingeschleppte Fliege Philornis downsi, die ihre Eier in die Nester der Sing-vögel legt und deren Larven sich dann vom Blut der Vogelküken ernähren. Es soll jedoch ver-hindert werden, dass diese Vogelarten aussterben und so arbeiten die Forscher gemeinsam mit der Galápagos Nationalparkbehörde an entsprechenden Schutzstrategien.
Der Lockdown hat dabei das Schutzprojekt für die Mangrovenfinken besonders hart getroffen. Das Team von Francesca Cunninghame hatte gerade begonnen die Nester der Finken zu suchen und mit Insektizid zu präparieren, als sie die Nachricht erhielten das alle nicht auf Galápagos lebenden Personen, die die Inseln verlassen müssen. Es wird davon ausgegangen, dass das Jahr 2020 für die Mangrovenfinken einen herben Rückschritt gebracht hat, da es nicht möglich war die Küken von Fliegenlarven zu befreien und mit zusätzlichen Vitaminen zu versorgen. Auch war eine Rattenkontrolle nur in geringem Umfang möglich. Die genauen Auswirkungen der fehlen-den Schutzmassnahmen können allerdings erst festgestellt werden, wenn es dem Team im nächsten Jahr möglich ist die Arbeit fortzusetzen.
Santiago hat viele Jahre als Ranger des Galápagos Nationalparks gearbeitet und lebt inzwischen in England, wo er Mitinhaber eines Reisebüros ist, das sich auf Reisen zu den Galápagos Inseln spezialisiert hat. Ihm ist es sehr wichtig das die Reisenden in kleinen Gruppen von max. 16 Per-sonen auf Schiffen untergebracht sind und sie viel über die Natur der Inseln und Ecuadors erfah-ren. Durch die Pandemie und die damit bedingten Reisewarnungen gibt es momentan keine englischen Touristen, obwohl die Grenzen offen sind, es regelmässige Flüge gibt und ausländi-sche Gäste sogar ohne Quarantänepflicht nach Galápagos einreisen dürfen. Für ihn bedeutet das: Sollte sich die Tourismussituation im nächsten Jahr nicht ändern, muss sich Santiago beruflich umorientieren. Die Bevölkerung der Galápagos ist zu 80 % in der Tourismusbranche tätig. Daher versucht man Ecuadorianer mit Sonderangeboten auf die Inseln zu bringen, um den Menschen dort zumindest ein geringes Einkommen zu ermöglichen. Santiago ist sehr beeindruckt wie sich die Inselbe-wohner in dieser Zeit organisiert haben und durch Tauschhandel und gegenseitige Unterstüt-zung sicherstellen, dass jeder von ihnen durch die Krise kommt.
Die erste Frage eines unserer Mitglieder war: «Gibt es auch Hinweise das der fehlende Tourismus sich positiv auf die Flora und Fauna von Galápagos auswirkt?»
In der Zeit von März bis Juli waren alle touristischen Ziele geschlossen. Daraufhin hat die Galápagos Nationalparkbehörde in bestimmten Gebieten angefangen zu beobachten, welchen Einfluss die Abwesenheit der Touristen auf die Natur hat. María José erzählt, dass die CDF diese Aktion an den Stränden von Puerto Ayora und Las Bachas, den Brutplätzen der Meeresschildkrö-ten, unterstützt hat. Auch im Hochland von Santa Cruz das die Touristen besuchen, um die Rie-senschildkröten zu sehen und im Norden und Osten des Meeresreservats wurden Beobachtun-gen durch die CDF durchgeführt. Dabei hatte man den Eindruck, als ob die fehlenden Besucher einen positiven Einfluss auf die Tiere haben. Beispielsweise wurden in diesem Jahr mehr Nester der Meeresschildkröten gezählt als in den vergangenen Jahren. Aber man muss beachten das diese Beobachtungen momentan noch ausgewertet und wissenschaftlich eingeordnet werden müssen. Auch stellten Forscher, die sich mit den Meeresvögeln beschäftigen, fest das offensicht-lich die Zahl der Galápagos Pinguine und der Stummelkormorane angestiegen ist. Hierfür wäre eine mögliche Erklärung das der diesjährige El Niño nur geringe Temperaturschwankungen im Wasser verursacht hat. Deswegen blieb die Wassertemperatur relativ niedrig und so gab es ge-nügend Nahrung im Meer. Eine andere mögliche Erklärung wäre, dass sich die Tiere nicht ge-stört fühlen, weil keine Touristen kamen. Heinke weist aber darauf hin, dass es momentan noch zu früh ist die genauen Auswirkungen zu benennen, denn die Studien haben gerade erst begon-nen und die Vergleichszahlen mit Touristen fehlen noch. Aber auch sie hat in der letzten Zeit Wale in der Bucht von Puerto Ayora gesehen und beobachtete Galápagos-Tauben auf dem Weg zur CDF, was seit vielen Jahren nicht mehr möglich war.
Eine weitere Frage an die Experten war: «Ziehen jetzt viele Einwohner der Galápagos Inseln weg, weil es keine Arbeit mehr gibt?»
Für den Wegzug von Bewohnern gibt es mehrere Auslöser. Laut Galápagos Gesetzt, welches im Jahr 2015 in Kraft getreten ist, müssen Ecuadorianer/-innen vom Festland die keine Dauer-aufenthaltsgenehmigung haben, die Inseln nach 5 Jahren wieder verlassen. Damit ist 2020 das erste Jahr, in dem diese Rückkehr-Verordnung einsetzt, informiert uns Heinke.
Santiago erzählt das Galápagos Bewohnern deren Ehepartner europäische Staatsangehörigkeiten haben, sogar nach England, Deutschland oder in die Schweiz auswandern. Ein Grund hierfür ist, dass es durch COVID-19 in Ecuador keinen Präsenz-Schulunterricht gibt und man so in Europa sicherstellen will, dass die Kinder weiter zur Schule gehen können und eine gesicherte Ausbil-dung haben. Er sieht den Wegfall des Tourismus als positiv an, da über 200.000 Touristen pro Jahr einfach zu viel für die Galápagos Inseln sind. Allein der Bootsverkehr im Bolivar-Kanal hat einen solchen Lärm im Wasser verursacht, dass sich z.B. die Wale immer weiter zurückgezogen haben. Erst jetzt kann man sie wieder von der Küste aus beobachten, da es kaum Schiffsverkehr gibt. Dies brachte uns zu der Frage: «Wird das Meeresschutzgebiet von Galápagos wirklich von einer gigantischen Flotte von chinesischen Schiffen bedrängt, wie es in der Presse sehr oft zu lesen ist?
María José erklärt uns, dass die Anwesenheit von grossen Fischereiflotten rund um das Meeres-schutzgebiet und die Gebiete ausserhalb der Hoheitsgewässer von Ecuador ein seit langem be-kannt ist aber lange Zeit wenig beachtet wurde. Schliesslich bewegen sich die Flotten in inter-nationalen Gewässern wo jede Nation fischen darf. Auch sind es nicht nur ausschliesslich chine-sischer Schiffe, wie gerne in der Presse berichtet wird, die dort angetroffen werden. Länder wie Korea, Panama und Ecuador fischen ebenfalls ganzjährig in den Tiefsee-Gebieten rund um das Galápagos Meeresschutzgebiet. Jede dieser hocheffizienten Grossfischereiflotten hat sich auf bestimmte Arten z.B. Gelbflossentunfisch, Riesenkalmare, etc. spezialisiert. Sie verfolgen die Tiere durch den offenen Ozean und kommen dabei immer wieder in die Gewässer rund um das Galápagos Meeresschutzgebiet. Es ist durchaus möglich, dass momentan kleine Schiffe der Fangflotten weniger Aufsehen erre-gen, da es durch die Pandemie nur noch sehr wenig Schiffsverkehr gibt. Trotzdem wird auch in der Pandemiezeit das Meeresschutzgebiet laufend durch die Galápagos Nationalparkbehörde überwacht. Doch solange sich die Flotten in internationalen Gewässern aufhalten gibt es kaum Möglichkeit gegen sie vorzugehen. Grundsätzlich geht es darum Gesetze und Rechtsprechung in internationalen Gewässern durch-zusetzen, um sicherzustellen das mit umweltfreundlichen Methoden gefischt wird und keine bedrohten Tierarten gefangen werden. Hier sind nicht nur Forschung und Naturschutzbehörden, sondern auch Politik bzw. die Diplomatie gefragt. Daher hat sich der ecuadorianische Präsident an die chinesische Regierung gewandt und im Rahmen der internationalen Vereinbarungen ver-langt, dass die Schiffe sich aus der Umgebung des Galápagos Meeresschutzgebiets zurückziehen, was auch geschehen ist. Trotzdem ist es nur eine Frage der Zeit bis die Fangflotten zurückkom-men werden, denn eine nachhaltige Kontrolle der Grenzen des Meeresschutzgebiets zur Ver-meidung illegaler Fischerei übersteigt die Möglichkeiten und Befugnisse der Galápagos Natio-nalparkbehörde.
Diese Erläuterung klingt durchaus besorgniserregend, aber es zeigt auch die Hoffnung das die bestehende Situation den Anstoss zu politischen Veränderungen gibt.
Eine weitere Frage war: «Gibt es Bestrebungen oder spürt man den Willen die positiven Effekte der Pandemie auf die Natur auch in Post-Corona-Zeiten zu bewahren?»
Zu dieser Frage weist Heinke darauf hin, dass es momentan noch zu früh ist festzulegen, wie es in der Zukunft weitergehen soll. Ausserdem ist dies ein schwieriges Thema, denn viele Bewoh-ner der Galápagos Inseln sind in einer grossen ökonomischen Notsituation und die Rückkehr der Touristen sichert ihnen ein geregeltes Einkommen. Allerdings wurde in der Zeit vor Corona ein zunehmender Backpack-Tourismus festgestellt, der grössere negative Auswirkungen auf die Na-tur hat und nur schwer zu kontrollieren ist. Aus diesem Grund gibt es Bestrebungen sich wieder vom landbasierten Tourismus weg, zum Tourismus mit kleinen Schiffen zu entwickeln. Inwieweit sich diese Überlegungen in Zukunft nachhaltig umsetzen lassen, muss sich zeigen. Momentan wird jedenfalls jeder Besucher mit offenen Armen empfangen.
Dies führte uns zu der Frage: «Sind in Puerto Ayora die Restaurants und Geschäfte schon wieder geöffnet?»
Heinke erzählt, dass die Regierung der Galápagos die Pandemiesituation sehr gut gemanagt hat, wodurch es wenig Infizierte gab. Alle Geschäfte waren bis Mitte Juli geschlossen. Danach öffne-ten die ersten Restaurants unter Einhaltung der Sicherheitskonzepte. Inzwischen kann man se-hen das durch die Pandemie fast die Hälfte der Shops und Restaurants aufgegeben wurden. Von den anderen Betrieben sind die meisten geöffnet, denn momentan gibt es viele Touristen vom ecuadorianischen Festland. Dies hängt wohl auch damit zusammen, dass Anfang November durch ein langes Wochen-ende und einen Feiertag viele Ecuadorianer die Gelegenheit zu einer kurzen Reise auf den Archipel genutzt haben. Eine weitere Frage war: «Seit März haben die internationalen Forscher die Inseln verlassen. Wird nun die lokale Bevölkerung verstärkt in Tierschutzprojekte eingebunden?
Als hierfür zuständige Projektleiterin erzählt Birgit, dass es schon seit Langem Bestrebungen gibt vermehrt lokale Helfer zu rekrutieren, was jedoch oft nicht ganz einfach ist. Einerseits benöti-gen Mitarbeiter gewisse Grundkenntnisse und Fähigkeiten, andererseits können in der For-schung keine hohen Gehälter gezahlt werden. Daher ist es of so, dass gewonnene Helfer nur kurze Zeit im Team bleiben, da sie als Touristen-Guides mit Ihrem Wissen mehr Geld verdienen können. Trotzdem freut sich Birgit, in diesem Jahr viele Volontär-Bewerbungen erhalten zu ha-ben, bei denen sie auf jeden Fall lokalen Bewerbern den Vortritt geben wird.
Das Rubintyrannen-Team ist beispielsweise rein ecuadorianisch und wird im Dezember auf die Galápagos reisen, um dort zu arbeiten. Diese Gruppe wird dann um einige lokale Volontäre ergänzt, aber ein ganzes Team aus lokalen Fachleuten zusammen zu stellen ist kaum möglich.
Beim Mangrovenfinken-Team gibt es noch das Problem, dass gute Baumkletterer benötigt wer-den. Francesca Cunninghame, die Projektleiterin, hat sie bisher selber ausgebildet, aber leider sind diese Leute nach kurzer Zeit weggegangen oder waren nicht mehr verfügbar. Daher wird jetzt ein professioneller Kletterer am Festland gesucht. Zusammenfassend kann man sagen: Grundsätzlich wird immer versucht lokale Helfer einzubinden, aber das ist nur bis zu gewissen Kompetenzstufen möglich.
Die letzte Frage war: «Werden auch die Auswirkungen des globalen Klimawandels untersucht und mit welchem Ergebnis?»
Auch bei dieser Frage ist es so, dass es momentan noch zu früh ist genau zu sagen welche Aus-wirkungen der globale Klimawandel hat, sagt Heinke. Es gibt viele Land- und Meeres-Projekte, die dieses Thema untersuchen. Grundsätzlich werden aber vorrangig Langzeitmessungen von Parametern, die den Klimawandel bedingen benötigt. Das sind beispielsweise Luft- und Wasser-temperaturen, Regenmengen und ähnliches. Dafür gibt es an Land Dauerbeobachtungsflächen, die teilweise schon über 20 Jahre untersucht werden. Die aktuellen Daten müssen dann mit diesen Langzeitdaten in Zusammenhang gebracht werden, um Aussagen über den Klimawandel treffen zu können.
Bei dieser Gelegenheit weist Heinke auch darauf hin, dass gerade diese Langzeit-Studien für Geldgeber leider sehr unattraktiv sind. Förderer wollen meistens rasche Ergebnisse, nur dafür benötigt man eben auch Langzeitdaten zum Vergleich und deren Erhebung muss auch finanziert werden. Das ist laut Heinke oft ein Problem für die Forscher und die CDF.
Aus diesem Grund unterstützen die Freunde der Galápagos Inseln Schweiz viele Forscher mit ihren Projekten über lange Zeit hinweg, denn uns ist diese Problematik wohl bekannt.
Santiagos Statement zur Zukunft der Galápagos Inseln ist dann ein schöner Abschluss der Veran-staltung. Er hofft das die Bevölkerung von Galápagos unabhängig vom Tourismus neue Wege zur Sicherung ihres Einkommens finden wird. Beispielsweise durch die Produktion umweltfreundli-cher Energie, durch Technologie, im Umweltschutz oder der Forschung. Seiner Meinung nach wird sich der Tourismus nach Corona verändern und die Einwohner von Galápagos brauchten deswegen Alternativen dazu. Die Aufgabe wird sein, nachhaltig zu arbeiten und zu wirtschaften und das Umweltbewusstsein bei der Bevölkerung weiter zu steigern. Wenn das gelingt hätte die ganze Pandemie doch noch etwas Gutes bewirkt.